Die Desynchronisation des Wirtschaftszyklus nutzen
Vincent Mortier, Group CIO Amundi und Matteo Germano, Deputy Group CIO Amundi, beobachten die aktuellen Ereignisse an den Märkten und haben ihre Gedanken zu den Entwicklungen im aktuellen Amundi Global Investment Views July 2022 zusammengetragen.
In den vergangenen Wochen gab es dramatische Kursbewegungen bei Aktien und Anleihen, ausgelöst durch die Inflationsdaten, die Maßnahmen der Zentralbanken und die zunehmenden Sorgen um das Wirtschaftswachstum. Diese Ereignisse sind Auswirkungen des Umbruchs, bei dem wir das Wiederaufleben von Stagflationsrisiken sehen, und die Zentralbanken versuchen, ihre Glaubwürdigkeit zu behaupten.
Wachstum, Inflation und die Politik der Zentralbanken dürften auch weiterhin die Märkte bestimmen:
(1) Wachstum
Wir haben bereits zu Beginn des Jahres mit einer moderaten Verlangsamung des Wachstums gerechnet, aber jetzt gehen wir von einer deutlichen Verlangsamung aus, insbesondere in der Eurozone, mit dem Risiko einer technischen Rezession. Dies ist hauptsächlich auf den schwachen privaten Konsum und die schwachen Investitionen in Europa zurückzuführen, das am stärksten von der Inflation betroffen ist.
Im Gegensatz dazu dürften in den USA der stärkere private Konsum und die Investitionen das Wachstum weiterhin stützen. Für 2023 erwarten wir jedoch eine deutliche Verlangsamung und steigende Rezessionsrisiken. Der Markt dürfte sehr genau auf die Entwicklung des Wirtschaftswachstums achten, und insbesondere auf jedes Signal einer Verschlechterung der US-Aussichten
(2) Inflation noch nicht am Höhepunkt, unterschiedliche Einflussfaktoren in den USA und Europa
Der Höhepunkt der Inflation kommt aus unserer Sicht später als erwartet, der Höchststand sollte höher sein als ursprünglich angenommen. Die Inflation wird in den USA und in Europa von unterschiedlichen Faktoren angetrieben. In den USA ist sie eher von der Nachfrage getrieben, während in Europa der Hauptgrund für die Inflation in Angebotsengpässen liegt, verschärft durch den Energieschock infolge des Krieges. In einem Umfeld, in dem sich das Wachstum verlangsamt, dürfte sich auch die Inflation abschwächen.
(3) Die Zentralbanken und ihre schwierige Aufgabe, ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen
Im Allgemeinen ist eine Straffung der Geldpolitik wirksamer, wenn die Inflation durch starke Binnennachfrage getrieben wird. Wenn die Inflation jedoch durch externe Faktoren (Angebotsbeschränkungen) verursacht wird, sind die Maßnahmen der Zentralbank in der Regel nicht sehr erfolgreich bei der Eindämmung der Inflation. Daher besteht unserer Auffassung nach in den USA mehr Spielraum für eine Straffung, während sich die EZB in einer schlechteren Position befinden dürfte, da sie auch mit der Fragmentierung in der EU konfrontiert ist, wie die Ankündigung eines speziellen Instruments zur Bekämpfung der Fragmentierung durch die EZB zeigt.
Insgesamt sind wir der Ansicht, dass die Zentralbanken, wenn die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat und sich die Aufmerksamkeit auf das tendenziell niedrigere Wachstum richtet, wahrscheinlich eine Pause einlegen und weniger Maßnahmen als ursprünglich angekündigt ergreifen werden.
Vor diesem immer noch sehr volatilen Hintergrund sollten Anleger unserer Meinung nach diversifiziert bleiben und zusätzliche Risiken vermeiden, da die Neubewertung der Märkte zwar fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen sein dürfte. Wir meinen, es ist an der Zeit, sich auf qualitativ hochwertige Bereiche und widerstandsfähige Geschäftsmodelle zu konzentrieren, die die Margen halten können.
Dazu im Detail:
Staatsanleihen
Der jüngste Ausverkauf macht diese Anlageklasse selektiv attraktiver, da die verschärfenden Maßnahmen der Zentralbanken nun eingepreist sind und diese ab einem bestimmten Punkt gezwungen sein könnten, weniger Maßnahmen zu ergreifen, um eine Rezession oder eine weitere Fragmentierung zu vermeiden. Die aktuellen Niveaus werden auch für Investoren wie Versicherer und Pensionsfonds attraktiver, was den potenziellen weiteren Anstieg der Renditen begrenzen könnte.
Wir sind optimistischer als zuvor und nähern uns der Neutralität bei der Duration in den USA und in Kerneuropa, bleiben aber insgesamt flexibel. Die Duration ist ein Maß für die Zinssensitivität von Anleihen. Bei den Euro-Peripherieanleihen bleiben wir neutral und beobachten die Fragmentierungsrisiken genau.
Unternehmensanleihen
Wir halten es für sinnvoll, sich auf qualitativ hochwertigere Unternehmensanleihen zu verlegen und generell im gesamten Spektrum der Unternehmensanleihen (Investment Grade Rating – also gute Bonität – und Hochzins-Anleihen) selektiver vorzugehen, da aus unserer Sicht Bedenken hinsichtlich der Erträge bestehen. Unsere regionale Präferenz für US-Investment Grade-Anleihen bleibt jedoch angesichts der starken Konsum- und Arbeitsmärkte in den USA, die zu einem besseren Wirtschaftswachstum beitragen dürften, bestehen.
Aktien
Wir bleiben insgesamt wachsam, und da in Europa weitere Gewinnrückgänge nicht vollständig eingepreist sind, sind wir aufgrund des Gegenwinds durch die hohe Inflation, die die Konsumnachfrage dämpfen könnte, vorsichtig. Den USA hingegen dürfte es relativ gesehen besser ergehen, und wir halten an unserer Präferenz für die USA fest. Was den Anlagestil betrifft, so halten wir die weniger zyklischen Bereiche der Aktien für interessant, d.h. Value-, Qualitäts- und dividendenorientierte Titel. Unternehmen mit starken Bilanzen und einer starken Preissetzungsmacht sowie der Fähigkeit, steigende Kosten an die Verbraucher weiterzugeben und die Gewinnspannen zu erhalten, dürften sich unserer Meinung nach gut entwickeln.
China
Wir bewerten chinesische A-Aktien etwas positiver, da sie von den Industrieländern, in denen die Stagflationsrisiken zunehmen, besser abgeschirmt scheinen. Wir gehen außerdem davon aus, dass diese Anlageklasse von der Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft und den bestehenden Konjunkturmaßnahmen profitieren sollte.
Rohstoffe und Währungen
Zur Diversifizierung könnte man Rohstoffe und Strategien mit geringer Korrelation zu Aktien und Anleihen in Betracht ziehen. Bei den Währungen bevorzugen wir weiterhin den US-Dollar gegenüber dem Euro und in geringerem Maße auch den Yen.
Quelleninformationen und weitere Informationen finden im Amundi Research Center.
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Anette Baum
Senior Public Relations Manager
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